J.-D. Gross: Denkmalpflege in der Stadt Bern

Cover
Titel
Denkmalpflege in der Stadt Bern. Vierjahresbericht 2009 – 2012


Herausgeber
Gross, Jean-Daniel
Erschienen
Zürich 2013: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
397 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Andrea Schüpbach

Das eingerüstete Berner Münster ist für viele ein vertrauter Anblick. Es ist wohl das bekannteste, aber längst nicht das einzige Gebäude der Stadt, das sich hin und wieder Renovationsarbeiten unterziehen muss. Weitere Baudenkmäler, die zwischen 2009 und 2012 grössere oder kleinere bauliche Eingriffe erfahren haben, stellt der achte Vierjahresbericht der städtischen Denkmalpflege vor.

Im Berichtsteil präsentieren Jean-Daniel Gross, Roland Flückiger, Jürg Keller und Markus Waber 45 sanierte Baudenkmäler, Regula Hug zwei Abrisse. Jedem Bericht sind die Nummern der zum jeweiligen Objekt gehörenden Farbfotografien aus dem Bildteil im Anhang vorangestellt, ebenso Angaben zur Lokalisierung der Baudenkmäler auf den Luftaufnahmen, die das Buch einleiten. Eine oder mehrere Schwarz-Weiss-Fotografien, manchmal auch ältere Ansichten oder Pläne des sanierten Objekts begleiten die Texte, die einen Überblick über die Bauzeit, die Besitzergeschichte, die älteren Eingriffe sowie die jüngsten von der Denkmalpflege betreuten Arbeiten geben. Während der Berichtsteil die Baudenkmäler nach Stadtquartieren zusammenfasst, ist der Bildteil nach Strassennamen alphabetisch geordnet.

Die beschriebenen Sanierungen bilden einen Querschnitt durch das denkmalpflegerische Wirken. Dieses umfasste im erwähnten Zeitraum nicht nur die Sandsteinbauten des UNESCO-Weltkulturerbes, sondern unter anderem auch eine Plakatsäule, eine ehemalige Fabrikhalle, eine Orgel und eine Tramhaltestelle. Aus dieser Fülle an Objekten seien zwei Beispiele herausgegriffen. An der Junkerngasse 59 wurde der barocke Terrassengarten des Von-Wattenwyl-Hauses wiederhergestellt. Der Garten, der sich über sechs Terrassen bis ins Mattequartier erstreckt, war letztmals 1957 saniert worden. Der mittlere Teil war in der Zwischenzeit verwildert. Die Denkmalpfleger sichteten altes Plan- und Bildmaterial, das reichlich vorhanden war, weil die Südansicht Berns von Malern und Fotografen gerne abgebildet wurde. Aus den Plänen liess sich der Zustand kurz nach 1 700 jedoch nicht rekonstruieren, zu verschieden waren die Angaben. Man einigte sich schliesslich darauf, dass hinzugekommene oder veränderte Elemente beibehalten und fehlende Teile nach dem Originalentwurf ergänzt werden sollten. So wurden beispielsweise die Platanen aus dem frühen 20. Jahrhundert auf der obersten Terrasse stehen gelassen, der Rasen jedoch als barockes Rechteck wiederhergestellt. Die Zwischenstufe unterhalb der Hauptplattform wurde wiedereingeführt und die achsensymmetrische Wegführung rekonstruiert. Heute wachsen im Garten wieder Gemüse, Blumen und Obstbäume.

In der Länggasse wurden die 1864 gebauten Arbeiterhäuser an der Mittelstrasse 15 bis 21 saniert. Um in den Häusern 17 bis 21 günstigen Wohnraum für Familien zu schaffen, wurden die alten Wohnungen ohne Bad und mit Toilette im Treppenhaus den heutigen Platzbedürfnissen und Wohnstandards angepasst: Durch die Verbindung von je zwei Zweizimmerwohnungen pro Etage und die Aufhebung der einen Küche zugunsten eines Bads entstanden mehrere Vierzimmerwohnungen. Die äussere Erscheinung der Häuser erfuhr mit der Errichtung von Balkonen auf der Gartenseite eine wesentliche Änderung. Erhalten blieben dagegen die zeituntypische horizontale Bretterschalung an den Treppenhaus- und Abortvorbauten sowie das Waschhaus im Hof. Die renovierten Häuser mit der Caffè Bar Sattler und der Gelateria di Berna in Haus 15 tragen heute zusammen mit der Verkehrsberuhigung viel zur Belebung der Mittelstrasse bei.

Die Autoren unterstreichen wiederholt, wie sehr das Gelingen der Bauvorhaben von einer guten Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft, Denkmalpflege, Architekten und den übrigen Fachleuten – je nach Objekt unter anderen auch Kunstschmiede, Glasmaler, Kunstschlosser, Schreiner, Ofenbauer, Gerüstbauer, Bildhauer, Restauratoren oder der Archäologische Dienst – abhängt. Für alle Beteiligten besteht die eigentliche Herausforderung darin, die Objekte unter Wahrung der historischen Bausubstanz einer modernen Nutzung anzupassen. Dabei unterliegen die Arbeiten verschiedenen gesetzlichen und finanziellen Auflagen. So müssen die Bauten nach der Sanierung beispielsweise nicht nur den neuesten Sicherheitsstandards entsprechen, sondern auch behindertengerechte Zugänge aufweisen und energieeffizient sein.

Der sorgfältig lektorierte Vierjahresbericht liest sich gut und ist grundsätzlich auch für Laien verständlich. Gewisse Fachbegriffe werden aber beim Leser als bekannt vorausgesetzt und nicht erklärt. Wer also wie die Rezensentin nicht weiss, was eine Hourisdecke oder ein Doppelmuldenfalzziegel ist, muss zum Lexikon greifen. Im Hinblick auf die kommenden Vierjahresberichte wäre daher ein kleines Glossar im Anhang wünschenswert. Für Nicht-Fachleute ist zudem nicht immer nachvollziehbar, warum die Denkmalpfleger nachträglich ein- oder angebaute Gebäudeteile bald als störend, bald als «angenehmen Kontrast» (S. 248) bezeichnen.

Besonders gut gelungen sind die Farbfotografien, die eigentlich ein noch grosszügigeres Format verdient hätten. Sie gewähren dem Leser einen Einblick in die Innenräume privater Gebäude, die ihm üblicherweise verborgen bleiben. Das Buch ermuntert einen, sich auf einen realen Rundgang durch die Stadt Bern zu begeben, von einem Baudenkmal zum anderen zu spazieren, mit dem Vierjahresbericht als Stadtführer in der Hand. Dagegen spricht eigentlich nur sein nicht zu vernachlässigendes Gewicht.

Zitierweise:
Andrea Schüpbach: Gross, Jean-Daniel (Hrsg.): Denkmalpflege in der Stadt Bern. Vierjahresbericht 2009 – 2012. Zürich: Chronos 2013. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 61-63.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 61-63.

Weitere Informationen
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit